Jährlich versuchen zahlreiche Mexikaner, auf illegalem Weg die Grenze zu den USA zu überschreiten, während amerikanische Grenzpolizisten ungeachtet der Abhängigkeit mancher US-Wirtschaftsbereiche von den illegalen Einwanderern die Mexikaner daran zu hindern suchen. In dieser kargen Gegend, wo das Leben eines Mexikaners in den Augen mancher US-Bürger nur wenig zählt, hat Tommy Lee Jones sein Regiedebüt angesiedelt. Irgendwann ist der Mexikaner Melquiades Estrada in dem kleinen Kaff nahe der Grenze aufgetaucht und hat sich als Cowboy verdungen. Zwischen dem knorrigen Cowboy Pete und Estrada hat sich schnell eine Freundschaft entwickelt, so dass Pete mit Trauer und Wut auf die Nachricht reagiert, Estrada sei auf unglückliche Weise erschossen worden. Die Frage nach dem Täter wird kurzerhand unter den Teppich gekehrt, aber durch seine Gelegenheitsgeliebte Rachel, die ein Gespräch des Sheriffs mit dem Leiter der Grenzpolizei belauscht hat, erfährt Pete, wer für die tödlichen Schüsse verantwortlich ist. Er nimmt den Täter, einen Grenzpolizisten, als Geisel und zwingt ihn dazu, ihm beim Transport der Leiche Estradas nach Mexiko zu begleiten. Auf zwei Pferden und einem Maultier machen sie sich auf den Weg, weil Pete seinem Freund Estrada versprochen hatte, den Mexikaner in heimatlicher Erde zu begraben.
Mit gnadenloser Direktheit entwirft Tommy Lee Jones im ersten, unchronologisch verschachtelt erzählten Teil des Films das trostlose Bild einer amerikanischen Stadt an der Grenze zu Mexiko. Langeweile und Beziehungslosigkeit wird mit ebenso langweilig anmutendem Sex betäubt. Der Grenzpolizist nimmt seine Frau am Küchentisch mit leidenschaftsloser Mechanik von hinten, während im Fernsehen eine Soap-Opera den vorproduzierten Plastikgefühlskommentar zum Geschehen abgibt. Der menschenfreundliche Melquiades Estrada passt nicht nur wegen der Sprachbarriere in keiner Weise in das soziale Geflecht der routinierten Gleichgültigkeit, die sich unter der sengenden Sonne in der Gemüter der Bevölkerung gebrannt hat. In Pete hatte er einen Gegenpart gefunden, dessen aufrechte Art in gleicher Weise einen Gegensatz zur Umgebung bildet. Dieser emotionale Endpunkt bildet den Start einer Reise zur Erleuchtung, die Jones im zweiten Teil seines Films in den Mittelpunkt rückt. Der Freundschaftsdienst, den Pete gegenüber dem toten Estrada leistet, wird angesichts der kargen, mit bedächtiger Würde daliegenden Landschaft zu einer spirituellen Offenbarung. Farbfilter und nachträgliche Bearbeitung erzeugen eine ständige Illumination, welche die suchenden auf Ihrer Reise begleitet. Für den innerlich verdorrten Grenzpolizist ist sein Entführer eine Art Mentor auf dem Weg, die Balance der Emotionen und die Bedeutung wahrer Gefühle wiederzuentdecken.
Es braucht Zeit, die Dämonen der Trostlosigkeit des Lebens im amerikanischen Grenzgebiet auszutreiben. Tommy Lee Jones nimmt sich bei der Inszenierung seines Films die notwendigen Minuten, um den spirituellen Kern aus der Geschichte herauszuschälen. Gleichzeitig stellt er die Erkenntnismetapher der sozialen Realität gegenüber, um so einen kritischen Kommentar über die Entemotionalisierung modernen Lebens zu verfassen. Das hat auch etwas mit der mexikanisch-amerikanischen Grenzproblematik zu tun, an der sich ökonomische Verwerfungen zeigen. Auf der einen Seite steht die schiere Verzweiflung, die den reichen Nachbarn als Lebenschance und nicht als Ersatz für ein soziales Miteinander begreift. Auf der anderen Seite herrscht ein Protektionismus, der die banale Leere gegen vermeintliche Eindringlinge zu verteidigen sucht. Beides ist nicht ausbalanciert und von der Suche nach der notwendigen Balance erzählt Jones prächtige Parabel.
Bildqualität
Das blitzsaubere Bild besitzt eine schwankende Qualität im Schärfebereich. Die Nahaufnahmen fallen sehr gut aus, bei Totalen wirkt das Bild ein wenig matschig, so dass Details verloren gehen und die Konturenschärfe leidet. Demgegenüber überzeugt die Farbwiedergabe mit kräftigen Tönen, welche die aufwendige Bearbeitung in ihrer visuellen Schönheit vollständig zur Geltung bringt. Der intensive Kontrast unterstreicht die sengende Atmosphäre der beschwerlichen Reise. Nennenswerte Rauschmuster treten nicht in Erscheinung.Tonqualität
Die beiden 5.1-Spuren sorgen im Rahmen der Möglichkeiten angesichts des sehr ruhigen Films für eine gute räumliche Atmosphäre, da immer wieder kleinere Nebengeräusche aus den hinteren Lautsprechern ertönen. Darüber hinaus sorgt die Musik zusätzlich für Surroundqualitäten. Die Dialoge sind klar und verständlich, störendes Rauschen gibt es nicht.Extras
Auf der ersten DVD ist ein Audiokommentar mit Tommy Lee Jones (Regie), Dwight Yoakam und January Jones (beide Darsteller) enthalten. Im ersten Drittel verläuft die Unterhaltung der drei Teilnehmer über den Film ausgesprochen zäh. Zwischen viel Leerlauf gesellt sich nur selten eine interessante Äußerung, da das Lob über die Bilder und den Film im allgemeinen im Vordergrund steht. Später werden die drei Kommentatoren etwas gesprächiger und lassen Informationen über die Drehorte und die Produktionsbedingungen einfließen. Darüber hinaus äußert sich Tommy Lee Jones gelegentlich zu seiner künstlerischen Intenetion.
Das restliche Bonusmaterial auf der zweiten DVD beginnt mit einem etwa 25minütigen Making Of, in dem mit Hilfe einiger Interviewausschnitte (Tommy Lee Jones, Barry Pepper, Januaray Jones, u.a.) die Produktionsgeschichte und der Dreh nachgezeichnet werden. Der zweite Teil des Making Ofs behandelt den Auftritt der Filmschaffenden beim Festival in Cannes, wo das Werk seine Premiere feierte. Jenseits der gewollt peppig eingeschnittenen Filmbilder überzeugt das Making Of als kompakte Nachzeichnung der wichtigsten Projektstationen bis zur Premiere. Der achtminütige Beitrag „Making the Music” zeigt Interviews mit Regisseur Tommy Lee Jones und Filmmusikkomponist Marco Beltrami, in denen es um die Art der verwendeten Musik sowie die Zusammenarbeit zwischen Jones und Beltrami geht. Der Beitrag gewährt einen kurzen Einblick in diese Thematik. Im 12minütigen Bericht „Master Class” stellen sich Regisseur Tommy Lee Jones und Drehbuchautor Guillermo Arriaga bei einer Veranstaltung in einer Filiale des französischen Medienkaufhauses Fnac den Fragen eines Journalisten sowie des Publikums. Beide erläutern ihr Interesse an der Geschichte des Films und weisen noch einmal auf verschiedene Aspekte der Drehatmosphäre hin. Inhaltlich kommt es zu einigen Überschneidungen mit anderen Beiträgen, als Dokument der Veranstaltung ist der kurze Film interessant.
Die Deleted und Extended Scenes sind in schwächerer, aber noch brauchbarer Qualität gegenüber dem Hautpfilm enthalten. In den schwarzen Balken oben und unten befindet sich jeweils ein Time-Code. Die Szenen selbst wurden zu Recht aus dem Film entfernt und geben einen Einblick in den Entstehungsprozess des fertigen Werkes im Schneideraum. Vorbildlicherweise sind die Szenen jeweils in die davor sowie die nachfolgende Szene des fertigen Films eingebettet, so dass man eine genaue Vorstellung erhält, ann welcher Stelle sie herausgeschnitten wurden. Der Trailer rundet das Bonusmaterial ab.
Fazit
„Die drei Begräbnisse des Melquiades Estrada” überzeugt als spirituelle Reise zur Erkenntnis. Dabei nutzt Tommy Lee Jones die Geschichte um Freundschaft und Schuld als Basis für einen intelligenten Blick auf die sozialen Verhältnisse zu beiden Seiten des Rio Grande. Technisch ist die DVD gut mit leichten schwächen beim Bild. Das Bonusmaterial ist ordentlich.Stefan Dabrock
Originaltitel | The Three Burials of Melquiades Estrada (USA 2005) |
Länge | 120 Minuten (Pal) |
Studio | Ascot Elite |
Regie | Tommy Lee Jones |
Darsteller | Tommy Lee Jones, Barry Pepper, Julio Cedillo, January Jones, u.a. |
Format | 1:2,35 (16:9) |
Ton | DD 5.1 Deutsch, Englisch |
Untertitel | Deutsch für Hörgeschädigte, Englisch |
Extras | Audiokommentar mit Tommy Lee Jones (Regie), Dwight Yoakam und January Jones (beide Darsteller), Deleted Scenes, u.m. |
Preis | ca. 19 EUR |
Bewertung | sehr gut, technisch weitgehend gut |