Nachdem Michele Soavi in seinem Spielfilmdebüt „Aquarius“ (1987) das Slashergenre für eine höchst metaphorische Auseinandersetzung über Bühne, Leben und Tod genutzt hatte, folgten mit „La Chiesa“ (1989) und „La Setta“ (1991) zwei weitere Horrorfilme, bevor er mit „Dellamorte Dellamore“ ein morbid-schönes Zombie-Liebesdrama drehte. Darin spielen zwei Totengräber die Hauptrolle, die als sozial isolierte Menschen auf dem Gemeindefriedhof wohnen. Des nächtens steigen manche der Bestatteten wieder aus ihren Gräbern, aber Francesco Dellamorte und sein zurückgebliebener Assistent Gnaghi haben die Sache im Griff. Sobald der Schädel der Zombies zertrümmert oder mit Hilfe einer Pistolenkugel zerstört wird, sinken die wieder auferstandenen Leichen in den ewigen Schlaf. Die übrigen Bewohner der Kleinstadt, zu der der Friedhof gehört, zerreissen sich über die Totengräber und deren Geschichten über Zombies das Maul. Aber da Dellamorte mit seinem Assistent die restlichen Menschen meidet, stört sich niemand wirklich an den beiden Totengräbern. Als eines Tages eine junge Frau ihren im reifen Alter verstorbenen Ehemann zu Grabe trägt, ist es um Francesco Dellamorte geschehen. Diese eine Frau muss er wiedersehen. Dabei spielt ihm in seinem Begehren die morbide Neigung der jungen Frau, die er zufällig entdeckt, in die Hände.
Soavi erweist sich zusammen mit seinem Kameramann Mauro Marchetti als visueller Meister. Bis ins kleinste Detail hinein sind die einzelnen Szenen arrangiert und kunstvoll ausgeleuchtet. Mit Hilfe eleganter Kamerafahrten oder -Schwenks – schon am Anfang fährt die Kamera aus einem Totenschädel heraus, um in einer Einstellung das Vergängliche mit dem Leben zu verknüpfen - durchwandern Soavi und Marchetti die eindrucksvollen Tableaus auf der Suche nach bildhaften Metaphern, die als Erzählung funktionieren. Denn die Handlung selbst ist extrem episodenhaft gestaltet, nur die stets von Anna Falchi gespielte Frauenfigur mit verschiedenen Identitäten ist ein weiteres kontinuierliches Motiv. Allein die Bilder, welche eine Geschichte über den Zusammenhang von Leben und Tod erzählen, halten das inszenatorische Gefüge zusammen. In einem morbiden, halb verfallenen Gebeinhaus überkommt die junge Frau, welche Dellamorte an diesen Ort geführt hatte, eine plötzliche Lust, so dass sie ihn am Grab ihres Mannes verführt. Dabei strahlt die gedämpfte Beleuchtung in Verbindung mit den vergänglichen Überresten eine sehnsuchtserfüllte Note aus, die bereits in der Zeit der Romantik (Ende des 18. bis Mitte des 19. Jahrhunderts) mit ihrem Hang für Ruinen zum Ausdruck kam.
Bei Soavi symbolisiert das Vergängliche, also der Tod, für die Lebenden einen Ort der Sehnsucht, und das Leben wird für die Toten ein ebenso erstrebenswerter Zustand. Letztlich ist es das mysteriöse Andere, das als unerreichbar wirkendes Ideal, die Sehnsucht nach einem in sich harmonischen Dasein bündelt. In der darin zum Ausdruck kommenden Geschlossenheit lässt sich die ewige Liebe als Sinn erfahren. Der männliche Totengräber Dellamorte begegnet deswegen immer wieder der gleich aussehenden, aber andere Identitäten verkörpernden Frau, die aufgrund ihres anderen Geschlechts körperlicher Ausdruck der nach harmonischer Liebe dürstenden Sehnsucht Dellamortes ist. In Soavis Kosmos steht aber das Ringen um den Idealzustand als sinngebendes Element eines auf Bewegung ausgerichteten Daseins im Vordergrund. In einem ewigen Kreislauf werden die Menschen immer nur kurz die Erfüllung der Sehnsüchte als Glücksmoment erfahren, um dann wieder von neuem danach streben zu müssen. Die junge Frau gesteht Dellamorte, dass sie nur impotente Männer lieben könne. Nachdem sich der Totengräber darauf in einer wahnwitzigen Szene eine riesige Pferdespritze in sein Genital geben lässt, um der angebeteten Frau näher zu kommen, muss er am nächsten Tag erfahren, dass sie ihre Phobie vor der männlichen Potenz inzwischen überwunden hat. So bleibt sie als romantisches Motiv des Unerfüllten erhalten.
Soavi bündelt seine auf das Irrationale konzentrierten Themen in einer abgeschlossenen Welt, die letztlich kein Außen kennt. Denn jenseits der Kleinstadt mit ihrem Friedhof gibt es innerhalb des Films keine Realität. Die Figuren sind mit ihrer Sehnsucht nach dem mysteriösen Anderen in einer Kreislaufbewegung gefangen. Soavis Stärke ist es, dass er die romantisch-philosophische Betrachtung über den Menschen als Knecht seiner eigenen, unerfüllbaren Wünsche, in ein rasantes Genre-Kostüm gesteckt hat, das zwar nur aufgrund seiner konsistenten, düster-morbid-romantischen Bildsprache zusammengehalten wird, aber ein hohes Tempo mit irrwitzigen Einfällen besitzt. Ein junger Mann, der mit seinem Motorrad begraben wird und mit dem Gefährt aus dem Grab aufsteigt, gehört ebenso zur irrationalen Bildsprache, wie das ruhige Motiv der Irrlichter. Hysterische Szenen, wie die Verabreichung der Pferdespritze, wechseln sich mit existenzialistischen Metaphern ab, wenn ein Krankenhauszimmer kurzzeitig als isolierte Realität erscheint. Der ständige, rasante Wechsel sorgt aber nicht nur für Kurzweil, er reflektiert auch die innere Unruhe, die den Menschen auf seiner Suche nach der Blauen Blume antreibt.
Bildqualität
Das blitzsaubere Bild spielt vor allem bei Vordergründen und Großaufnahmen seine Stärke aus, indem es eine gute Schärfe mit detailliertem Inhalt bietet. Bei Hintergründen verwischen die Konturen jedoch leicht, so dass sie immer ein wenig matschig aussehen. Die Farben sind sehr kräftig, der Kontrast dabei jedoch ein bisschen zu steil, so dass in dunklen Szenen gelegentlich Details verschluckt werden. Das leichte Hintergrundrauschen stört sich, gelegentlich ist Blockbildung zu beobachten.Tonqualität
Die Dialoge sind klar und verständlich, da sie in einem guten Verhältnis zu restlichen Kulisse abgemischt wurden. Störendes Rauschen existiert nicht. Die Klangkulisse nutzt die vorderen Lautsprecher auf gelungene Art und Weise, so dass sich ein relativ breiter Klangraum ergibt.Extras
Das Bonusmaterial besteht aus einer Bildergalerie und dem Trailer.Fazit
Michele Soavi hat eine wüste Genre-Variation inszeniert, deren visueller Einfallsreichtum die episodenhafte Handlung zusammenhält. Das Geschehen entwickelt sich zunehmend zu einer morbid-philosophischen Betrachtung über die romantische Sehnsuchtsidee. Technisch ist die DVD guter Durchschnitt.Stefan Dabrock
Originaltitel | Dellamorte Dellamore (Italien 1994) |
Länge | 99 Minuten (Pal) |
Studio | cmv laservision |
Regie | Michele Soavi |
Darsteller | Rupert Everett, François Hadji-Lazaro, Anna Falchi, u.a. |
Format | 1:1,78 (16:9) |
Ton | DD 2.0 Deutsch, Englisch |
Untertitel | Deutsch |
Extras | Bildergalerie, Trailer |
Preis | ca. 16 EUR |
Bewertung | sehr gut, technisch guter Durchschnitt |