Die Suche nach Vorbildern ist nicht immer leicht. Die eigenen Eltern kommen ab einem bestimmten Alter in der Regel nicht mehr in Frage. Es bieten sich Rockstars, Schauspieler, Päpste und Serienkiller an, zumindest wenn man psychologisch gesehen ein schwaches Ego besitzt. Leslie Vernon lebt in einer Welt, in der Michael Myers, Freddy Krueger oder Jason Vorhees keine fiktiven Filmfiguren sind, sondern tatsächlich gelebt und gemordet haben. In Leslie Vernons derangiertem Hirn wuchs irgendwann der Wunsch, genauso erfolgreich wie die drei berühmten Serienkiller zu werden. Ein Filmteam begleitet die angehende Teenager-Nemesis bei den Vorbereitungen, in seiner Heimatstadt Glen Echo für Angst und Schrecken zu sorgen. Dort hält man Leslie Vernon seit einer viele Jahre zurückliegenden Tragödie, an der die Stadtbewohner beteiligt waren, für tot. Zum Jahrestag der damaligen Ereignisse treffen sich immer einige Teenager im alten, verlassenen Farmhaus der Familie Vernon, um ihren Mut zu beweisen. In diesem Jahr will der totgeglaubte Leslie Vernon als schwarzer Mann mit furchterregender Maske zurückkehren, um Rache zu nehmen.
Scott Glosserman ist mit „Behind the Mask“ ein Hackentrick in zahlreiche Richtungen gelungen. Das Werk beginnt als Handkameradokumentation des Filmteams, das immer ganz nah an Leslie Vernon dran bleibt. Er zeigt seinen Begleitern, wie man die richtigen Opfer aussucht, lässt sich bei seinem ersten Auftritt als schwarzer Mann in Glen Echo filmen und präsentiert seine Hintergrundgeschichte. Dabei nimmt das Drehbuch den gesamten Wust psychologisch verbrämter Slasherinterpretationen der filmwissenschaftlichen Theorie auf, um sie zu demontieren. Im dokumentarischen Stil präsentiert Leslie Vernon Konstrukte wie „Survivor Girl“, „Ahab“ oder Phallusinterpretationen mit einem bitten Ernst, den diese Elemente in der praktischen Anwendung auf der Straße nicht mehr vertragen. Ihre offensichtliche Absurdität wird so lange ausgereizt, bis sie unter dem satirischen Druck in sich zusammenbrechen. Dem uneingeschränkten Amüsement, das mit der intelligenten Reflexion über filmtheoretische Interpretationsversuche verbunden ist, setzt Glosserman ganz nebenbei weitere Aspekte zur Seite. Das Filmteam, welches Leslie Vernon begleitet, kommt ab einem bestimmten Zeitpunkt unweigerlich in einen Gewissenskonflikt, da Vernon reale Morde verüben will. Damit streift Glosserman zum einen die Frage nach der Medienverantwortung vor dem Hintergrund in der Gesellschaft auftretender Gewalt und zum anderen ist der Gewissenskonflikt die entscheidende Schaltstelle, an der sich „Behind the Mask“ von einer glänzenden Satire zu einem Slasher mit spannendem Fiinale wandelt. Dass passiert nahezu bruchlos, weil das Drehbuch bereits zuvor immer wieder einige irritierende Momente eingebaut hat, welche die amüsante Harmlosigkeit des dokumentarischen Unterfangens untergraben konnten. Dazu zählt ebenso das übernatürlich anmutende Versteckspiel Leslie Vernons in der ersten Szene wie das blinde Auffinden eines bestimmten Buches in einer Bibliothek oder die Ernsthaftigkeit, mit der Leslie Vernon über das Morden redet. Das führt dazu, dass nahezu jeder Witz gleichzeitig eine höchst beunruhigende Seite offenbart. Die verschiedenen Ebenen des Films fließen deswegen so elegant ineinander, dass sie ein komplexes, fast bruchloses Gesamtwerk ergeben, dessen intelligente Vielschichtigkeit bemerkenswert ist.
Bildqualität
Mit Hilfe des dokumentarischen Ansatzes haben die Macher natürlich aus der Not des Budgets eine Tugend gemacht. Die ganzen Handkameraufnahmen im ersten Teil besitzen häufig nur eine angenehme Schärfe und mehr müssen sie auch nicht. Nahaufnahmen ohne schnelle Schwenks fallen ebenso durch eine gute Schärfe auf wie die Bilder aus dem Finale. Hier sind die Farben kräftig, während die dokumentarischen Aufnahmen bei Tag eine etwas reduzierte, blassere Optik aufweist. Dies alles dient der dramaturgischen Konzeption. Die Handkameraufnahmen weisen folglich auch ein sichtbares Hintergrundrauschen auf, das später weniger offensichtlich sichtbar ist. Der Kontrast sorgt für ein plastisches Bild. In dunklen Szenen gehen keine Details verloren. Zu bemängeln ist aber ein leichtes Blockrauschen, das immer mal wieder sichtbar wird.Tonqualität
Die räumliche Kulisse der 5.1-Spuren sorgt für ein ordentliches Klangerlebnis, das auch einige Geräusche auf die hinteren Lautsprecher verteilt. Die Dialoge sind klar und verständlich, fallen in der deutschen Version aber lauter als im Original aus. Die DTS-Spur trumpft gegenüber den 5.1-Tracks mit einer satteren Klangkulisse auf, die das räumliche Erlebnis steigert.Extras
Der Audiokommentar der Darsteller Nathan Baesel, Angela Goethals, Ben Pace und Britain Spellings ist leider sehr unstrukturiert geworden. Anfangs reden alle durcheinander, und wenn sie nicht durcheinander reden, werden drollige Späße gemacht, Lieder geträllert und alle paar Minuten auch etwas Substantielles gesagt. Insgesamt ein enttäuschender Kommentar, der sich nicht mit dem Film auseinandersetzt, sondern stattdessen weitgehend auf oberflächliches Gelaber wie in einer bierseeligen Runde beschränkt.
Hinter „Casting Of“ verbirgt sich ein etwa sechsminütiger Beitrag, in dem verschiedene Vorsprechszenen einzelner Schauspieler – unter anderem taucht auch Leslie-Vernon-Darsteller Nathan Baesel auf – zu sehen sind.
Das 32minütige Making Of verbindet Videotagebuchteile des Regisseurs, die während der Produktion entstanden sind, mit Interviews (u.a. Robert Englund, Nathan Baesel, Angela Goethals) B-Roll-Material und Filmausschnitten. Inhaltlich beschäftigt es sich mit den Produktionsbedingungen und der Arbeitsweise am Set – beide Aspekte tauchen vor allem in den Videotagebuchteilen auf -, weiß durch einige Äußerungen zur Konzeption zu gefallen und kommt natürlich auch nicht ohne Lobhudelei aus, die aber nicht Überhand nimmt. Deswegen gehört es zu den besseren Making Ofs, das man sich auf jeden Fall ansehen sollte.
Die Deleted Scenes (etwa 7 Minuten und 30 Sekunden) hätten alle die Dramaturgie des fertigen Films nachhaltig gestört, weil sie zu viel offen gelegt hätten. Für sich genommen führen sie aber höchst konsequent die Meta-Slasher-Ebene weiter fort und unterfüttern sie mit neuen fein ausgedachten Szenen. Insofern funktionieren die Deleted Scenes wie Fußnoten zum Film, sehr schön.
Die Extended Scenes (etwa 22 Minuten) beweisen, dass die Kürzung während des Schnitts goldrichtig war, um das Tempo zu halten. Als einzelne Ergänzungen zum Film liefern aber auch sie neue Details zur Beziehung der Charaktere untereinander und zur Meta-Slasher-Thematik. Aus der Filmdramaturgie herausgehoben sind sie sehr interessant.
Zwei Trailer runden das Bonusmaterial ab.
Fazit
„Behind the Mask“ verbindet intellektuelle Slasherreflexion mit einer funktionierenden Slasherdramaturgie zu einem gleichsam amüsanten wie spannenden Film, der ebenfalls als Medienkommentar zu verstehen ist. Technisch ist die DVD gut.Stefan Dabrock
Originaltitel | Behind the Mask: The Rise of Leslie Vernon (USA 2006) |
Länge | 92 Minuten (Pal) |
Studio | Sunfilm |
Regie | Scott Glosserman |
Darsteller | Nathan Baesel, Angela Goethals, Robert Englund, u.a. |
Format | 1:1,78 (16:9) |
Ton | DTS Deutsch; DD 5.1 Deutsch, Englisch |
Untertitel | Deutsch |
Extras | Audiokommentar mit den Darstellern Nathan Baesel, Angela Goethals, Ben Pace und Britain Spellings, Deleted Scenes, Making Of, Trailer, u.m. |
Preis | ca. 18 EUR |
Bewertung | sehr gut, technisch gut |