Bauen,
Lust und Fußball
Befreite
Zone
Für
eine Kleinstadt bietet der örtliche Fußballverein stets
einen Ort identitätsstiftender Heimat. Wenn die Kleinstadt zusätzlich
in Ostdeutschland liegt und der örtliche Fußballverein
im DFB-Pokal die Westmannschaften weghaut, dann potenziert sich die
gute Laune bis in euphorische Höhen. "Befreite Zone"
zeichnet das Beziehungsgeflecht in einer solchen Stadt nach. Der Präsident
des örtlichen Fußballvereins ist im Hauptberuf Bauunternehmer.
Deswegen wird der Plan, angesichts des aktuellen Erfolgs ein neues
Stadion zu errichten, mit den anderen lokalen Größen am
Stammtisch in der Kneipe vorangetrieben. Da der Bauunternehmer auf
seinen Baustellen auch Polen beschäftigt, lohnt sich das Geschäft
besonders gut. Innerhalb des ansonsten wenig ereignisreichen Kleinstadtlebens
gedeihen auch die sexuellen Beziehungen besonders gut. Man betrügt
sich gegenseitig, wie man gerade Lust hat. Die Mutter der weiblichen
Hauptfigur arbeitet nicht nur als Lehrerin in der Schule, sie bläst
dem Direktor auch gelegentlich den Marsch. Die weibliche Hauptfigur
selbst, eine junge Frau, ist mit einem jungen Mann zusammen, der wiederum
der besten Freundin der weiblichen Hauptfigur im Auto auf einem einsamen
Feld zwischen Windrädern zeigt, dass er auch überschüssige
Energien hat. Die weibliche Hauptfigur wiederum nähert sich im
Laufe des Films dem schwarzen Stürmerstar des örtliche Fußballvereins
- genannt Blondie -, der ihr zeigt, dass er nicht nur Fußbälle
einlochen kann.
"Befreite Zone" bietet im wesentlichen ein entspanntes Portrait
ostdeutscher Kleinstadtwirklichkeit, das die typischen Themen Sport,
Unternehmertum mit illegaler Note,
Vetternwirtschaft
und Freizeitgestaltung vor dem Hintergrund kultureller Ödnis
mit gekonntem Witz auf die Spitze treibt. Darin steckt ein Stück
präziser Beobachtungsgabe, das soziale Realitäten humorvoll
aufbereitet. Wenn der Film allein auf dieser Ebene bleiben würde,
dann könnte man ihn als nettes, sympathisches Werk einordnen.
"Befreite Zone" leistet sich aber mehrere eklatante Stilbrüche,
die einen mehr als unangenehmen Nachgeschmack hinterlassen. Der Film
verfolgt auch die Erlebnisse des jüngeren Bruders der weiblichen
Hauptfigur sowie dessen Freund. Alkohol und Zigaretten spielen eine
wichtige Rolle in deren Leben. Das führt sie unter anderem immer
wieder zu einem Mitbürger asiatische Herkunft, der sie mit Zigarettenstangen
versorgt, ein Thema, das in der ostdeutschen Wirklichkeit verankert
ist. Kurz vor Ende des Films entschließen sich die beiden, dem
Asiaten eins auf die Mütze zu geben, der daraufhin eine Machete
zieht. Der anschließende Kampf wird nicht gezeigt, wohl aber
eine Zeitungsmeldung, die den Tod eines der beiden Jugendlichen verkündet,
der andere überlebte, weil die Machete an einer Rippe abrutschte.
Der Versuch, dem heiteren Gestus der Handlung durch solche Übergriffe
eine größere Tiefe zu verleihen, indem der Friede, Freude,
Eierkuchen-Eindruck eine Trübung erfährt, scheitert vollständig.
Die wenigen Sekunden, welche "Befreite Zone" dem Einbruch
der Gewalt widmet, ohne vorher und nachher das Thema auszudifferenzieren,
wirken schäbig. Der undifferenzierte Umgang mit der Thematik
verdeutlicht nur die Angst des Regisseurs und Drehbuchschreibers,
einen Film gemacht zu haben, der die Vorgänge innerhalb der Stadt
zu positiv beschreibt. Mit überheblicher Arroganz spielen sie
deswegen ihre Macht als Createure aus und opfern eine Figur auf dem
Altar der Ausbeutung.
Bildqualität
Die
Vorlage des nicht anamorphen Transfers macht hinsichtlich Dreckspuren
oder Bilddefekten einen guten Eindruck. Aufgrund des reduzierten Budgets
ist das Bild über die komplette Lauflänge leicht körnig.
Das wirkt sich in den Totalen auf die Schärfe aus, die nur angenehm
ist, in den Nahaufnahmen aber ein ordentliches Niveau erreicht. Die
Farbwiedergabe überzeugt durch ein natürliches Spektrum,
das den realitätsnahen Ton des Kleinstadtportraits unterstützt.
Der Kontrast leistet sich so manche Schwäche, so dass helle Bilder
dazu neigen, zu überstrahlen. Insgesamt ist die Bildqualität
brauchbar, wenn auch nicht übermäßig gut.
Tonqualität
Der
deutsche 2.0-Ton bietet keine besonderen Effekte, gibt das Geschehen
aber in gelungener Weise auf den vorderen Lautsprechern wieder. Leichtes
Rauschen stört nicht, da die Verständlichkeit der Dialoge
niemals in Gefahr ist. Die Musikwiedergabe ist atmosphärisch
gut gelungen.
Extras
Als
Bonus ist Norbert Baumgartens 7minütiger Kurzfilm "Sex &
Crime" enthalten, der hauptsächlich dadurch auffällt,
dass er seine Geschichte vollständig ohne Dialoge erzählt.
Die Idee, einen Taschendieb seine weiblichen, fremden Opfer durch
intensive Zungenküsse so verwirren zu lassen, dass er ihnen nach
den überraschenden Zärtlichkeiten die Taschen wegnehmen
kann, da sie völlig konsterniert herumstehen, ist demgegenüber
blöde.
Recht interessant ist das Texttafelinterview mit dem Regisseur Norbert
Baumgarten, der sein Projekt näher beleuchtet, die Stilbrüche
leider nicht in seine Ausführungen einbezieht.
Zwei Trailer sowie Texttafelbiographien zu Darstellern und Regisseur
runden das Bonusmaterial ab.
Fazit
"Befreite
Zone" erzählt mit leichter Hand vom Alltag in einer ostdeutschen
Kleinstadt. Träume und Illusionen haben darin ebenso ihren Platz
wie Vetternwirtschaft und illegale Bauunternehmungen. Aufgrund verschiedener
Stilbrüche lastet Regisseur Norbert Baumgarten seinem Film jedoch
Themenbereiche wie plötzliche Gewalteinbrüche auf, die "Befreite
Zone" innerhalb des amüsanten Gestus nicht schultern kann.
Dadurch übernimmt sich das Werk leider völlig und scheitert.
Technisch ist die DVD ordentlich.
Stefan Dabrock
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Originaltitel |
Befreite
Zone (BRD 2005) |
Länge |
92
Minuten |
Studio |
epiX |
Regie |
Norbert
Baumgarten |
Darsteller |
Johanna
Klante, Florian Lukas, Annett Renneberg, u.a. |
Format |
1:1,85
(4:3) |
Ton |
DD
2.0 Deutsch |
Untertitel |
- |
Extras |
Kurzfilm
"Sex & Crime", Trailer, u.m. |
Preis |
ca.
15 EUR |
Bewertung |
zwiespältig,
technisch ordentlich |
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