dvdheimat informiert: Fantasyfilmfest Nr. 25

Fresh Blood

Suicide Room

REGIE Jan Komasa DARSTELLER Jakub Gierszal / Roma Gasiorowska / Agata Kulesza / Krzysztof Pieczynski / Bartosz Gelner DREHBUCH Jan Komasa
PRODUZENT Jerzy Kapuscinski KONTAKT Level K / Polish Film institute

Dominik merkt kurz vor der Matura, dass er sich für Jungs interessiert. Seine Umgebung reagiert darauf mit Hohn und Bloßstellung (wir befinden uns immerhin in Polen, wo Homosexualität noch bis in die Neunziger offiziell als Krankheit galt), und auch seine karrieregeilen Eltern sind ihm keine Hilfe. Der Junge verliert sich daraufhin in einer schweren Depression und zieht sich immer weiter zurück, erst in sein Zimmer, dann ins Internet, wo er andere Kiddies kennenlernt, die sich umzubringen planen.

Emo ist SO nuller Jahre. Super-out. Bzw. deswegen wahrscheinlich wieder in, oder was weiß ich. Suicide Room ist jedenfalls ein Emo-Drama, das alles auffährt, was man so mit dieser Jugendkultur verbindet, von Selbsthass und Weltschmerz bis zu romantischem Kitsch und schwarz lackierten Fingernägeln. Natürlich ist das nötig. Ein Film muss verdichten, wenn er in 90 Minuten möglichst viel Leben stopfen will. Das führt in Suicide Room allerdings dazu, dass man gelegentlich das Gefühl hat, eine sehr verheulte Soap Opera zu sehen. Wie der Film wirklich jedes Emo-Klischee abhakt – das nagt irgendwann an den Grenzen der Glaubwürdigkeit. Auch die Figuren der Eltern kauft man nicht. Dass sie hilflos sind, nie gelernt haben, sich mit ihrem Sohn zu beschäftigen: gut. Aber wenn ich merke, dass mein Kind eindeutig Internet-süchtig ist, dann komme ich nicht erst zwanzig Minuten vor Filmende mal auf die Idee, den Netzstecker zu ziehen.

Was man Suicide Room zugute halten muss, ist, dass er die Emo-Kultur ernst nimmt, dass er für die Szenen, die sich online abspielen, bessere Bilder findet als der ähnlich gelagerte Chatroom aus dem letzten Jahr, und dass er das Verhalten von Online-Communities sehr präzise wiedergibt. Erwähnen muss man auch Jakub Gierszal, der als Dominik eine hervorragende Vorstellung abliefert. Was man Suicide Room vorwerfen muss, ist, dass er dazu geeignet ist, das seit jeher zwischen Lächerlichkeit und Bedrohung schwankende Image von Emos in der Öffentlichkeit und vor allem in den Augen besorgter Eltern weiter zu beschädigen, denn hier sind alle Emos potentielle Amokläufer, allesamt mit der Planung ihres Selbstmords beschäftigt und natürlich depressiv. Und hier wird dann klar, für wen der Film gedacht ist: eben nicht für die breite Masse, die den Film in den falschen Hals bekommen würde, sondern quasi von Fans für Fans, für ein Publikum, das genauso hysterisch, selbstmitleidig und egozentrisch ist, wie die Hauptfigur. Teenager halt. Wer sich jetzt angesprochen fühlt, bekommt mit Suicide Room zumindest seinen ultimativen Herz-Schmerz-Film.
Lukas Jötten

Inhalt:
Dominik (Jakub Gierszał) verliert den Halt in seinem Leben, als seine Mitschüler feststellen, dass er homosexuell ist. Jetzt will niemand mehr etwas mit ihm zu tun haben, denn den sozialen Netzwerken sei Dank kennt bald die ganze Schule seine Neigung. Das homophobe Umfeld reagiert mit Spott und Beleidigung. Auch Dominiks Eltern können ihm nicht helfen, da sie völlig in ihrem wirtschaftlichem Erfolg aufgehen und keinen emotionalen Draht zu ihrem Sohn haben. In seiner Verzweiflung zieht es Dominik in die Netz-Community "Suicide Room". Dort treffen sich Jugendliche, um über ihre Selbstmordabsichten zu sprechen. In Sylwia (Roma Gasiorowska), einem Mitglied der Community, findet Dominik eine Freundin, mit der er sich austauscht. Als Dominiks Vater jedoch die Internetverbindung kappt, weil sein Sohn nicht mehr aus seinem Zimmer kommt, droht aus der virtuellen Community bitterer Ernst zu werden.
Der polnische Film will nicht mehr und nicht weniger, als die Probleme eines heranwachsenden Jugendlichen, der sich Leistungsdruck und Identitätsfragen ausgesetzt sieht, vor dem Hintergrund der aktuellen Medienwelt zu durchleuchten. Ein Update der Adoleszenzthematik im Netzzeitalter.
Stefan Dabrock